Sagen und Legenden
In dem runden Mauerturm am Unteren Tor in Leutershausen befindet sich eine Glocke, die von Martini bis Lichtmeß abends 8 Uhr, von da bis Walburgi und auch von Michaeli bis Martini um 9 Uhr mehrere Minuten lang läutet. Nach der Sage soll in alter Zeit ein Fräulein - entweder war es eine Freiin Fuchs von Birnbach aus dem nahen Schloß in Rauenbuch oder eine Nonne von Kloster Sulz - von der Abenddämmerung überrascht und im Altmühlgrund unterhalb von Leutershausen vom Weg abgekommen sein, so daß es sich in der Dunkelheit nicht mehr zurechtfinden vermochte.
Plötzlich drang Glockenton an das Ohr der Verirrten. Sie ging der Schallrichtung entgegen und kam glücklich nach Leutershausen. Zum Dank stiftete das Fräulein die Glocke im Mauerturm mit der Bestimmung, daß sie während der dunklen Zeit des Jahres alle Abende geläutet werde, damit ihr Schall den Verirrten als Wegweiser diene. |
In der Advents- und Weihnachtszeit reitet um die Mitternacht zwischen dem Steinkreuz an der Leutershausener Stadtgrenze und den Steinkreuzen beim Neunkirchener Straßenwirtshaus ein Mann ohne Kopf auf feurigem Roß in scharfem Galopp umher. Den Kopf trägt er unter dem linken Arm. Zwischen Oberramstadt und Winden und in der Gegend von Dornhausen und Binzwangen hat man diesen greulichen Reiter auch schon gesehen. Dort soll er sogar zuweilen den Kopf aufgesetzt und dabei geschrien haben: "Ha - hoi!" |
Ganz In der Nähe von Schloß Rammersdorf liegt das Zobelholz. Einst ging eine Frau durch diesen parkartigen Wald. Da hörte sie jemand niesen. Sie blickte sich um und konnte niemand wahrnehmen, obwohl es ringsum hell und licht war. Sie wünschte aber doch: "Helf dir Gott!" Eine Antwort bekam sie nicht. Kurz darauf hörte sie wieder ein Niesen und abermals sprach sie: "Helf dir Gott!" Wiederum erhielt sie keinen Dank. Da wurde sie stutzig und blickte gespannt umher. Plötzlich vernahm sie wieder ein Niesen. Es war nahe bei ihr. Und da erblickte sie eine Weiße Frau, die jämmerlich weinte und zu ihr sagte: "Wenn du den Wunsch auch das dritte Mal ausgesprochen hättest, wäre ich jetzt erlöst. Aber so muß ich noch lange auf meine Erlösung warten; denn erst das Kind, daß in der Wiege aufwächst, die aus nebenstehendem Baum gemacht wird, kann mich, wenn es einst auf denselben Platz herkommt, erlösen." |
Ein Fuhrmann wollte einst die Zollstation in Leutershausen umgehen. Er verließ deshalb in Höchstetten die Zollstraße und fuhr nach Bauzenweiler. Da es recht finster war, übersah er die nach Mittelramstadt abzweigende Weinstraße und fuhr geradeaus weiter. Zu seiner Freude sah er bald ein Licht vor sich. Das kam ihm gerade recht. Er fuhr darauf zu und hatte es nach kurzer Zeit erreicht. Nun konnte er sich sorglos führen lassen. Die Pferde schritten gemächlich dahin und er nickte ein. Bald war er von tiefem Schlaf umfangen. Als er erwachte, fing es schon an zu dämmern. Nun mußte er zu seinem Schrecken erkennen, daß ihn das Licht irregeführt hatte. Sein Fuhrwerk war nämlich die ganze Nacht im Kreis um die Linde im Haslach, den Hoslasbaam gefahren. |
Das Haslach, ein Flurteil von Leutershausen wurde früher von den Leuten gemieden, denn es hieß, dort gehe in mondhellen Nächten eine Mannsperson umher, die auf der einen Schulter einen großen Stein und über der anderen eine Haue trage und jedem Vorübergehenden zurufe: "Wo setz i nea mein Loagstaa (=Grenzstein) hie?" Einmal gegegnete einem einsamen Wanderer dieser unheimliche Geselle. Voller Angst stieß er auf dessen Frage hervor: "Alta Ochs, wo d`nan gnumma host, do setz n widda hie!" "Hob Dank, daß`d ma a Red gergunnt hoast, etza ko mei Loagstaasünd guet gmacht wern. Du host mi dalöst", erwiderte der Umgänger, warf den Stein von der Achsel und war plötzlich verschwunden. Gesehen hat man ihn nie mehr. |
Auch die Stadt Leutershausen hatte im Dreißigjährigen Krieg viel erdulden müssen, und immer wieder versuchten kaiserliche Horden, in die Stadt einzudringen. Eines Tages rückte eine größere Kriegsschar heran und begann, die Stadtmauer beim Getreidekasten zu beschießen, so daß jedermann wußte, daß bald Schlimmes zu befürchten war. In dieser Not konnte nur noch eine List helfen. Kurzerhand ließ der Stadtvogt Hans Schreyer nachts einen Geißbock auf die Mauer schaffen, streifte sich ein weißes Nachtgewand über, setzte sich höchstpersönlich auf den Bock und ritt auf der Stadtmauer hin und her. Die Feinde ergriff ob des unheimlichen Gespenstes im Mondenlicht Furcht und Schrecken. Eiligst machten sie sich aus dem Staub und waren froh, dem schaurigen Ort ungeschoren entronnen zu sein. |
Vor Urzeiten lebte in Sachsen ein Schäfer, der seine Herde am liebsten auf dem Kühberg weidete, weil es dort das beste Gras gab. Nachdem er den Pferch geschlagen hatte, begab er sich in seinen Karren zur Ruhe. Als er gerade einschlafen wollte, störte ihn ein Klopfen. Er spitzte durch eine schmale Ritze seiner Behausung und gewahrte zu seinem nicht geringen Schrecken draußen eine Weiße Frau. Er wagte sich nicht zu rühren und nachdem sie noch einige Male geklopft hatte, entfernte sie sich in Richtung gegen das Herrenholz. |
Auf dem Friedhof in Leutershausen steht ein Grabdenkmal aus grauem Sandstein. Es stellt einen Ritter mit Harnisch und Schwert dar. Die Leute nennen ihn nur den "Grauen". Immer, wenn jemand stirbt, wandelt der "Graue" längs der Kirchengasse in die Stadt und wieder zurück. Auf dem gleichen Weg werden die Leichen zum Friedhof getragen. Erzählt einer, daß er den "Grauen" gesehen hat, ergreift das ganze Städtchen ein großer Schrecken. |
In Leutershausen lebte vor vielen Jahren ein sehr gottesfürchtiger Seilermeister. Er war kaum ein Jahr verheiratet, als seine junge Frau starb, kurz bevor sie sein Kind gebären konnte. Nun war er ganz allein, doch in manchen Nächten erschien ihm seine Frau mit dem Knäblein auf dem Arm. Immer, wenn sie zu ihm kam, ermahnte sie ihn, fromm zu leben, dann könne er manchen vom Tod Bedrängten das Leben retten, und er selbst werde lange leben. Das nahm sich der Mann zu Herzen, und er bemühte sich, noch gottgefälliger zu leben. Der Seiler war ein äußerst geschickter Meister seines Handwerks, und der gute Ruf seiner Waren verbreitete sich im ganzen Land. Auch am Hofe des Markgrafen zu Ansbach hörte man davon. So befahl die markgräfliche Vogteikammer dem Seiler von Leutershausen die Anfertigung von einem Dutzend Henkerseilen. Erschrocken über diesen makabren Auftrag, fand er nächtelang keinen Schlaf. Halb wachend, halb träumend wälzte er sich auf seiner Liegstatt. Da erschien ihm wieder seine Frau mit dem Kind auf dem Arm und sprach: "Lieber guter Mann, habe keine Angst. Die Seile, die du für den Henker anfertigst, werden nie unschuldige Menschen zu Tode bringen". Das geschah einige Male. Nun nahm sich der Seiler ein Herz und machte sich an die Arbeit. Es dauerte gar nicht lange, bis er diesen unliebsamen Auftrag ausgeführt hatte und die fertigen Seile beim Hochgericht auf der Burg Colmberg abliefern konnte.
Nach einigen Wochen wurde dort der Seiler wegen Raubmordes zum Tode durch den Strang verurteilt. Obwohl dieser immer wieder seine Unschuld beteuerte, glaubte ihm kein Richter, und schon wenige Tage nach seiner Verurteilung wurde er dem Scharfrichter übergeben. Als der Tag der Hinrichtung kam, wurde der Verurteilte auf dem zweirädrigen Schinderkarren zum Richtplatz gefahren, wo der Galgen bereitstand. Schon hatte der Scharfrichter dem Deliquenten die tödliche Schlinge um den Hals gelegt, und der Henker war bereit, die Falltür zu bedienen - da geschah es: Das Henkerseil fiel plötzlich wie morsch in sich zusammen und wurde zu Asche. Nun nahm der Henker ein neues Seil. Aber auch das zerfiel.
Alle Anwesenden erschraken über dieses himmlische Zeichen, und der markgräfliche Oberamtmann, der als Gerichtsherr der Handlung beizuwohnen hatte, ließ die Hinrichtung aussetzen.
Nun wurde das Verbrechen noch einmal überprüft, und dabei erwies sich die Unschuld des Verurteilten. Als der Markgraf davon hörte, erließ er eine Verfügung und bestimmte darin: Wenn künftig bei der Galgenstrafe das Seil unbrauchbar wird oder zerreißen sollte, dann ist der Verurteilte frei und gilt als unbescholten.Der beinahe unschuldig zu Tode gekommene Seiler aber erhielt eine Stelle als Jagdknecht beim markgräflichen Hofjagdmeister und soll das seltene Alter von 100 Jahren erreicht haben. |